Moritz Koller                         Krönungsfeyer

um 1830                                               Sr. Majestät Ferdinands,

kais. Kronprinzen von Oesterreich

als König von Ungarn

 

 

I. Frage

 

Welch reich Getümmel in den lauten Gassen,

Welch munt’res Leben in den dichtgedrängten Massen,

Welch’ Fluten, Rennen, Jubeln, Lustgeschrey,

Das bunt von allen Seiten wogt herbey?

 

Und kaum vermag die weite Stadt zu fassen

Das Menschenmeer in den geschmückten Straßen,

Und wie Natur im blüthenreichen May,

Prangt Haus und Hütt’ in schönem Mancherley.

 

Aus fernen Landen bin ich hergekommen,

Und weiß die Pracht, den Jubel nicht zu deuten;

O gönnet Kunde mir, wem gilt das Fest?

 

Wohl Großes sah ich schon in Ost und West,

In Nord und Süd’, und unter allen Breiten,

Doch ist mir Gleiches nirgends noch erglommen.

 

 

II. Auskunft

 

Ich nahe Dir – ein Sohn des Donaustrandes,

Bescheidnem Fremdling gern zum Dienst bereit,

Denn eine Zierde unsres Vaterlandes

Ist alte, biederdeutsche Gastlichkeit.

 

Sind wir doch alle Glieder eines Bandes,

Genossen einer heilig hehren Zeit,

Das Vorurtheil der Sprache, des Gewandes,

Bannt nur den Thoren von dem Bruder weit.

 

Tritt denn heran, und bleib an meiner Seite,

denn eines Führers wohl bedarfst du heute,

Wo freudig glüht der Wonne höchster Brand;

 

Und wisse nun: dieß helle Jubelprangen

Ist für ganz Ungarn freudig aufgegangen,

Denn ihm zum König krönt man Ferdinand.

 

 

III. Der Kaiserssohn

 

Ihn schildern dir? – Gib mir die wärmsten Farben,

Die in des größten Meisters Hand gelebt,

Und laß mich schaffen, was Er nie erstrebt,

Nur Züge werden’s, welche längst erstarben.

 

Nimm alle Tugenden, die Liebe sonst erwarben,

Die Milde, die bey fremden Schmerz erbebt,

Die Hoheit, die sich durch sich selbst erhebt –

Das Conterfey wird vor dem Urbild darben.

 

Von dem Erhab’nen hast du schon vernommen,

Der durch der Wasser kühnempörte Fluth,

Auf leichtem Kiel ein Retter kam geschwommen;

 

Der sich die Waise wählt’, zu eig’ner Huth?

Umschling Sein Haupt mit ew’ger Tugendkrone,

Dies ist das Bild vom echten Kaiserssohne.

 

 

IV. Das Haus

 

Es ist ein Sproß am alten Heldenbaume,

Der seit Jahrhunderten die Völker schützt,

Und Rache auf das kühne Laster blitzt,

Und schirmt das Edle mit des Purpurs Saume.

 

Und Alles fördert, was da bleibend nützt,

Und das unsterblich glänzt im Sternenraume;

Die Habsburd ist’s, die mit dem Herrscherzaume

Hoch über allen Erdenfürsten sitzt.

 

Viel große Männer sind aus ihr entsprossen,

Die ihren Ruhm in alle Welt ergossen;

Viel herrlich Schönes ward durch sie verübt,

 

Sie wurden viel bewundert, viel geliebt.

Der mit dem Sohn nun theilt der Herrschaft Kranz,

Ihn kennst du wohl – den milden Vater Franz.

 

 

V. Der alte König

 

Pannonia rühmt sich seit langen Jahren,

Daß es von Ihm viel Königshuld erfahren;

Es hing an Ihm mit oftbewährter Gluth,

Es opfert Ihm mit Freuden Herz und Blut.

 

Noch flammet hell des Ungarn-Königs Muth,

Noch fühlt Er jugendlich für Groß und Gut.

Doch ist Er Greis an Alter und an Haaren;

Und will dem Sohn der Völker Treu bewahren.

 

Und Seiner Ahninn denkend, die in Kriegesnöthen

Der Ungarn Treu, der Herrlichen erbethen,

Und die in ihnen fand den Rettungsport;

 

Führt er den Erben auch in ihre Halle,

Zu Seinen treusten, biedersten Vasallen,

Und setzt dagegen Ihn zu ihrem Hort.

 

 

VI. Der Ungarn Stolz

 

Er sprach das Wort, und hoher Wonne voll

Lauscht Ihm das Volk, und fühlet stolz die Gnade,

Und wünschet Flügel nun dem Zeitenrade,

Damit es bald erprob der Liebe Zoll.

 

Und als der Ruf im weiten Reich erscholl,

Wie öffnete da rasch sich jede Lade,

Und wühlt nach Prunk und würdiger Parade,

Weil solch’ ein Fest das höchste schmücken soll.

 

Und froher hebt sich jede brust empor,

Und Selbstbewußtsein spricht aus alles Blicken,

Aus jedem Mund der Freude heller Ruf;

 

Und Ferdinand schallt’s laut im Jubelchor,

Und hoch Pannonia, so ruft Entzücken:

Hoch Vater Franz, der diese Feyer schuf.

 

 

VII. Der Tag

 

Nun endlich ist mit rosengüldnem Prangen

Der Tag des festes lieblich aufgegangen,

Befriedigt ist das harrende Verlangen,

Und heut wird er der Ungarn Kron empfangen.

 

O schmücke dich Natur mit Herrlichkeit,

Wie sie des Frühlings holde Blüthe beut,

Verjünge dich, du graugeword’ne Zeit,

Ein neuer Lenz beginnt für Ungarn heut!

 

O herrlich ist des Tages Doppelfeyer,

Dem ganzen Kaiserreich wie Ungarn theuer;

Denn Franz, der Milde, der von Gott Geweihte,

 

Fügt zu dem Guten, das sein Volk erfreute,

Auch heut ein großes, segensreiches Pfand

des neuen Glücks in König Ferdinand.

 

 

VIII. Vorbereitung

 

Und sieh’ – es naht die heißersehnte Stunde,

Erwartung schwellet höher jede Brust,

Wohl Jeder harret in der weiten Runde,

Um auszuströmen seine hohe Lust. –

 

Der Jubel schlummert noch auf jedem Munde,

Denn alle sind sich treuer Lieb’ bewußt;

O jauchze Ungarland dem neuen Bunde,

Dem du die höchste Wonne weihen mußt!

 

Die Zeit verrinnt, die Reichs-Kleinode nahen,

Der Scepter, Stephans Kron, das Heldenschwert;

Der Dom erglänzt, den König zu empfahen,

 

Drommetenklingen wird von fern gehört.

Der Zug beginnt – am Hügel steht die Menge,

Ihr Herz wird fast dem Hochgefühl zu enge.

 

 

IX. Der Krönungszug

 

Welch’ reiche Pracht von Gold und edlen Steinen,

Welch majestät’scher Zug voll Würd’ und Ehr’!

Ein Schimmer strahlt um die Erhab’nen her,

Wie wenn am Himmel tausend Sonnen scheinen.

 

Und um den König, siehe da vereinen

Unübersehbar wie ein endlos Meer,

Von Ketten, Ehrenmünzen, Bändern schwer,

Sich all’ die Großen, Herrlichsten der Seinen.

 

Wie athmet Alles Glanz und Herrscherwürde,

Wie schnaubt das Roß, stolz auf die edle Bürde,

Welch blendend Licht von Reichthum und von Zierde!

 

Doch hoch ob all dem prunkenden Ornate,

Strahlt ein Juwel im Kampfe und im Rathe,

Der Ungarn Treu am König und am Staate.

 

 

X. Die Weihe

 

Ein Gottgesandter harrt im Festgewand,

das hehre Oehl der Salbung in der Hand;

Und nieder kniet er an der heil’gen Stelle,

Um zu empfah’n der Weihe Segensquelle.

 

Und Jener, seinen Blick hinauf gewandt,

Erflehet Ihm der ew’gen Gnade Pfand;

Und netzt Ihn mit der benedey’ten Welle,

Des Herrn Gesalbter geht Er von der Schwelle.

 

Er ist geweiht zum Vater seiner Kinder,

Zu jedes Bösen kräft’gem Überwinder,

Zu seines Glaubens leuchtendem Pannier,

 

Zu seines Königstammes Schmuck und Zier,

Zu Gottes höchstem Ebenbild auf Erden,

Er kann und wird des Vaters würdig werden.

 

 

XI. Die Krönung

 

So weit das Auge reicht, herrscht ernstes Schweigen,

Ein Jeder fühlt des Augenblickes Werth;

Nur fromme Wünsche, leise seufzer steigen

Zum Himmel auf, verstanden, ungehört.

 

Der greise Fürst steht auf – wie sich die Reigen

Der Großen, Edlen, ehrerbietig neigen;

Ernst steht Er da, nur feyerlich verklärt,

Den Blick dem Herrn der Welten zugekehrt.

 

Und spricht: „Von meinen Müh’n und Vatersorgen,

Blieb keine meinen Treuen je verborgen,

So sey die Eine mind’stens mir entrückt:

 

Wer einst nach mir mein Ungarland beglückt –

Darum die Kron’, die lang mein Haar umlaubt,

Drück’ ich dem Sohn auf’s jugendliche Haupt.“

 

 

XII. Am Krönungshügel

 

Er sprengt hinauf, das Schwert in seiner Rechten,

Und schwingt’s nach Ost und West, und Nord und Süd,

Den Glauben will Er stark und kühn verfechten,

Vor jedem Feind, der da entgegenzieht.

 

Wie Ihm von edlem roth die Wange blüht!

Das Auge flammt wie Wetterstrahl in Nächten,

Er ahnt – Er fühlt – gewiß Sein Auge sieht

Manch herben Strauß mit düstern Schicksals Mächten.

 

Hinan, hinan, von Oben winkt der Sieg,

Der Feind erliegt vor gottgelenkten Streichen,

Fest steht dein Volk zu Dir in Kampf und Krieg,

 

Der Ungar kennt kein Fliehen oder Weichen.

Hinan, hinan, es steht Dein Volk im Staube,

Sein Höchstes ist sein Land, sein Fürst, sein Glaube.

 

 

XIII. Gebeth

 

Erhab’ner Urquell, du von Licht und Leben,

Der Kön’ge Höchster, aller Herrscher Herr!

Vernimm die Stimmen, die zu dir sich heben,

Unendlicher! Allmächtiger! Ewiger!

 

Der du uns Franz zum Vater hast gegeben,

(Wohl fühlte Er des Scepters Bürde schwer)

Gib seinem Sohn das gleiche Königsstreben,

Laß Ihn Sein Volk beglücken, so wie Er.

 

Halt ferne Ihm des Unglücks bitt’re Pfeile,

Den schwarzen Undank, die Verräterey;

Und daß Ihn nie der Stürme Macht ereile,

 

Gib, das ein Engel ihm zur Seite sey,

Der Cherub, der der Kön’ge Thaten wäget,

Und sie als Schmuck zu deinen Füssen leget.

 

 

XIV. An Ungarn

 

Doch du, Pannonia, köstliches Geschmeide,

In deiner Herrscher weitem Länderkranz;

Du ihrer Seele schönste Augenweide,

Du ihrer Fürstenkrone höchster Glanz!

 

Blick auf dies Fürsten-Paar im Purpurkleide,

Auf Ferdinand und deinen Vater Franz;

Sie lieben dich, erwidre auch die Freude,

Und was sie hoffen, das erfülle ganz.

 

Es sey dein Heldenstolz, für Sie zu sterben,

Dein schönster aber sey, Sie zu erfreu’n,

Und wenn Ihr Wink zu dir wird rufend werben,

 

Dem Herrscherwunsch ein willig Ohr zu leih’n. –

Verstummte Lied, schon allzulauten Schalles,

Dem Ungar gilt sein König über Alles.